Genussskitouren im Vinschgau Januar 2017

Schon früh im November, als bei uns Schnee bis in die Täler lag, habe ich mich bei der Alpinschule Ortler für die Genussskitouren im Vinschgau Anfang Januar angemeldet. Ich kannte diese Woche vom letzten Jahr auch mit der Alpinschule, es hatte mir auch damals sehr gut gefallen. Nach Rückfrage bei den Teilnehmer von damals hat Bernd aus Lörrach spontan zugesagt, heuer wieder zu kommen. Weiter sagte auf meine Empfehlung auch mein Bergfreund Robert aus Dietikon zu, so kannte ich schon vor Beginn zwei Teilnehmer. In der Folge aber verschwand der früh gefallene Schnee wieder und der wärmste November seit je hat auch die letzten Resten davon bis in höchste Höhen schmelzen lassen. Noch schlimmer – es schneite auch während des ganzen Dezembers nicht wieder. So war denn ich bass erstaunt, als Ende Dezember die Nachricht kam, die Tourenwoche finde statt und unser Bergführer heisse Kurt Ortler, ja genau wie der Berg. Die Message war: Kurt wäre rekognoszieren gegangen und es seien Schneefälle angesagt und wir müssten dann halt höher oben in die Touren einsteigen – ok, lassen wir uns mal überraschen.

Kurt in seinem Element
Kurt in seinem Element 
Schneesituation Taufers
Schneesituation Taufers

Vom Zeitpunkt dieser Benachrichtigung an schaute ich mir öfters wieder Wetterberichte und Webcams vom Vinschgau an, aber ausser Kunstschnee in Skigebieten war wenig bis kein Schnee ausmachen. Die Spannung wuchs, was das wohl werden soll. Wenige Tage vor Beginn schneite es aber tatsächlich bei uns im Norden ganz anständig, jedoch kaum im Süden, wo es das für unser Vorhaben eigentlich tun sollte. Für die Hinreise nahm uns Bernd Röbi und mich ab Landquart mit dem Auto mit, es war winterlich hier, vorsorglicherweise hatte Bernd Schneeketten eingepackt für die Strecke über den Ofenpass, ja – es war winterlich im Prättigau und im Unterengadin, aber je weiter wir dann vom Ofenpass hinunter ins Münstertal und ins Vinschgau fuhren, umso spärlicher wurde der Schnee, Schneeketten brauchten wir keine zu montieren. In Taufers im Münstertal, wo unsere Basis, das Hotel Lamm ist, hatte es gar keinen Schnee mehr, zumindest war das Wetter gut.

Nach dem Einchecken trafen sich die Teilnehmer mit Kurt im Hotel, dabei war auch Hubert Wegmann, der Leiter der Alpinschule der die gleiche Tourenwoche vom letzten Jahr leitete. Da waren zwei Christine’s und Thilo aus München und später kamen noch Catherine und Max aus Wien dazu – also waren wir eine staatliche Gruppe von 8 Teilnehmern. Die zwei Bergführer verteilten Ausrüstungsgegenstände und versuchten unseren Fragen wegen des fehlenden Schnees so gut es ging auszuweichen und sie verströmten die Zuversicht, dass sie dann schon gute Berge für Touren finden würden und wir wurden aufgeboten für den Montag um 9 Uhr bereit zu sein. 

 Unsere Touren

Wir brachen zur besagten Zeit mit drei Autos auf und fuhren zurück in die Schweiz über den Ofenpass um vom Restaurant Buffalora 1’968müM auf den Munt Buffalora 2’627müM zu steigen. Es war bestes Wetter an diesem Montag mit viel Sonnenschein. Schnee hatte es hier unten noch wenig, dafür blankes Eis, das vom Wasser eines Bachs herrührte und mangels Schneefall nicht überschneit war. Wir turnten mit den Fellen darüber hinweg und etwas höher hatte es tatsächlich wenig mehr Schnee. Der Wind hatte in den letzten Wochen das wenige an Schnee in die Mulden geblasen, wo sich immer wieder schöne Pulverschneeansammlungen fanden. 

 

 

Im Aufstieg auf den Buffalora geht man durch eine prächtige Landschaft mit lichten Arvenwälder vorbei an Alphütten. Im Mittelalter wurde in dieser Gegend Eisenerz abgebaut und verhüttet, deswegen auch der Name Ofenpass. Die Verhüttung brauchte aber dermassen viel Holz in dieser hochalpinen Gegend, dass der Abbau bald wieder eingestellt werden musste. Der Ofenpass ist auch eine Wasserscheide zwischen Inn und Etsch, der eine fliesst ins schwarze Meer, die andere in die Adria.

 

Auch mit zunehmender Höhe beim Aufstieg blieb die Schneehöhe mehr oder minder gleich. Kurt zeigte uns, wie man fachgerecht Spitzkehren macht, er schien ein guter geduldiger Lehrer. Wir arbeiteten uns höher und es wurde auch klarer, dass wir hier durchaus auch gut abfahren können. Damit stieg die Laune mit zunehmender Meereshöhe.

 

Es zeigte sich dann auch – es gab eine Super Abfahrt. Kurt filmte während aller unsere Touren unsere Kunststücke und unsere Nöte jeweils beim Abstieg und in der Abfahrt. Sein ganzer Film ist zu gross für diese Website, also habe ich aus seinem Material drei kurze Sequenzen zusammengeschnitten, wobei klar sein soll, dass ich von Filmen keine grosse Ahnung habe und das Ganze wohl etwas amateurhaft wirkt.

Am späteren Nachmittag, zurück im Hotel, grenzt es ja schon fast Luxusurlaub, sich nach der Tagestour im Hotel Lamm in deren fantastischen Wellnessbereich zu erholen. Später dann beim Apéro lernten wir einander besser kennen und es kamen intensivere Gespräche auf und in einigen Diskussionen versuchten wir die Welt zu verbessern – zumindest ein wenig  – so machen Skitourenwochen Freude.

Am Dienstag-Morgen gings zur Tour ins Roiental, ein Seitental zur Passstrasse in der Nähe zum Reschenpass, vorbei am Reschensee mit dem berühmten Kirchturm, der aus dem Wasser des Stausees ragt. Auch hier lag nur wenig Schnee und wir stapften rein ins Tal in Richtung Mittlere Scharte. Bernd und ich kannten auch diese die Tour vom vergangenen Jahr, damals als es zwar auch wenig Schnee hatte, aber immer noch einiges mehr als heuer. Während unseres Aufstieges im oberen Teil hörten wir im schattigen Osthang immer wieder Wumm-Geräusche und Kurt suchte den besten Weg durch die Hänge, liess uns des öfteren einzeln mit einem Abstand von 15m nachkommen, bis er letztlich nach etwa 2 Stunden Aufstieg zum Entschluss kam: „meine Erfahrung sagt mir, wir sollten hier nicht weiter gehen“. Wir standen im Schatten, es war empfindlich kalt und ich war froh und wahrscheinlich einige andere auch, dass wir umkehren konnten.

Weiter unten bei den Heustadeln auf 1’800müM machten wir in der Sonne halt für eine Ausbildung über das Verhalten bei Lawinenniedergängen. Kurt erklärt uns die Funktionen und die Anwendung der LVS, zeigt uns wo und wie man in einem Lawinenkegel sondieren soll und letztlich auch noch die Handhabung der Lawinenschaufeln. Er hat eine sehr gute Art die Sachen zu erklären. Es wurde uns schnell klar, dass er aus einem immensen Erfahrungsschatz zehrt, wenn er uns diese Zusammenhänge lehrt. Es kommt auch zum Vorschein, dass er in den Bergen auf der ganzen Welt als Experte war und gefragt ist – Chapeau!

Hier eine Sequenz aus Kurt’s Filmmaterial mit dem Titel Aufstiege:

 

auf dem Heimweg zurück ins Hotel kehren wir auf der Reschenpassstrasse in einem Kaffee ein. Beim kleinen Imbiss macht uns Kurt schmackhaft, morgen in grössere Höhen zu gehen, um mehr Schnee und bessere Schneeverhältnisse vorzufinden, er schlägt die Suldenspitze mit knapp 3’400müM vor.

Dazu fährt man von Sulden mit der Seilbahn auf 2’600müM, wo sich auch die Schaubbachütte befindet. Als wir am Mittwoch morgen bei schönem Wetter aus der Seilbahnstation ins Freie kommen, leuchtet geradeaus vor uns wir das Tagesziel die Suldenspitze. Auf den Graten schien die Sonne und ein kräftiger Wind zu blies, der Schneefahnen über die sonnenbeschienen Spitzen wehte. Wir sahen auch, dass wir fast den ganzen Aufstieg im Schatten machen müssen und es herrschte bittere Kälte. Trotzdem war die Entscheidung hierher zu kommen richtig – wir stapften durch Pulverschnee so zwischen 10 und 20cm lagen im untern Teil des Aufstieges. 

Über die Gletscher
Über die Gletscher
Suldenspitze
Suldenspitze

Dieser ist zu Beginn noch relativ gemächlich, später wurde es immer steiler und ich hatte mit dem Mitkommen Mühe und ich war froh, dass Kurt mich hinter sich laufen liess, so konnte ich dem Trott gehen, den ich zu gehen vermag. Wir stiegen langsam höher steigen, der Pulverschnee wurde weniger war zwar noch nicht überall weg, aber doch gab es immer mehr blanke Stellen auf dem Gletscher. Wir montierten die Harscheisen an unsere Skis. Bei dieser Gelegenheit merkte Catherine, dass ihre Felle nicht mehr kleben. Alles Abkratzen oder Aufwärmen um sie noch irgendwie zu befestigen zu können scheiterten. Aber an ein Hochkommen ohne Felle war an diesem Berg an diesem Tag gar nicht zu denken – so ein Pech. Also ging sie zurück und wartete unten. Kurt riet ihr am Abend zu einem Sportshop in Müstair zu gehen, die einen Spray für solche Fälle haben. Wir stiegen höher und schon glitzerte die Sonne oben am Gipfelgrat während wir hier unten im Eiskasten erbärmlich froren. Ich war mehr und mehr erschöpft, meine Lunge machte mir zu schaffen und wollte hier warten. Gott sei Dank überredete mich Kurt einfach langsamer am Schluss zu laufen und nach zu kommen. Das machte ich dann gerne – es wäre ja wirklich jammerschade gewesen so kurz unter dem Gipfel schlapp zu machen. Während die anderen immer mehr auf dem Grat die Sonne erreichten, arbeite ich mich gemächlich hoch. Trotz diesen Mühen, auch ich erreichte den Grat, die Sonne und den Gipfel der Suldenspitze auf 3’375müM – danke an alle.

Diese Abfahrt ist (zumindest bis zur Piste) super. Zuoberst im blanken Firn war Max wohl etwas forsch und produzierte prompt einen kapitalen Sturz, glücklicherweise ohne Folgen. Der Rest war Genuss pur – für diese und die anderen Abfahrten ein Zusammenschnitt aus den Bildern von Kurt:

 

Im unteren Teil der Abfahrtspiste hatte es so wenig Schnee, dass wir die Ski zeitweise tragen mussten. In Sulden tauchten wir ein in den Trubel der Pistenskifahrer und frönten natürlich auch dem Après-Ski, allerdings nicht in der SkiAlm, diese liessen wir beiseite und gingen in ein ruhigeres Lokal. 

Nach den guten Erfahrungen mit der Suldenspitze gingen wir auch am Donnerstag wieder nach Sulden, liessen uns erneut mit der Bahn hoch transportieren, allerdings nur bis zur Mittelstation. Von wo aus wir eine halbe Stunde die Ski Abfahrtspiste hoch stapften um dann nach rechts in die Richtung des Ortlers einzubiegen. Es ging locker zwischen Geröllhalden und Felsbrocken durch und wir fragten uns, wo wir da wohl wieder nach unten kommen würden. Unser Vertrauen in Kurt war aber in diesen Tagen so gewachsen, dass wir ihm locker vertrauten. Es herrschte immer noch schönes Wetter an diesem Tag, aber für später am Tag und morgen waren die Prognosen schlechter, auch Schneefall wurde vorausgesagt. Also galt es die Gunst dieses Tages noch zu nutzen. Langsam wurde die Sicht schlechter, als Röbi und ich beschlossen nicht mehr weiter zu gehen. Wir warteten auf dem Gletscher auf die Rückkehr der anderen. Wir warteten und warteten immer länger und dachten, so weit konnten die doch gar nicht gegangen sein. Tatsache war, dass wir ihre Abfahrt verpasst hatten, als wir von weiter unten Rufe hörten – und dank Mobiltelefon von Bernd fanden wir wieder zusammen, obschon die Gruppe schon ziemlich weit abgefahren war. Die restliche Abfahrt war leidlich und ab der Mittelstation nahmen wir diesmal die Seilbahn nach Sulden.

Wie immer nach der Rückkehr genossen auch an diesem Tag einige von uns zuerst die Wellness Anlage des Hotels vor es zur mittlerweile eingespielten Zeit um halb sieben zum Apéro ging. Hier ging es bei einem guten Glas Wein (4-4-8) und bei ausgiebigen Diskussionen über den vergangenen Tag vergessen, dass die Schneeverhältnisse nicht so super waren. Und auch an diesem Tag wieder ein feines Nachtessen.

Freitag war eigentlich unser letzter aktiver Tag und am morgen schneite es draussen und für eine ernsthafte Tour war das Wetter zu schlecht. Aber genau richtig, um an diesem Tag einen Ausbidungstag zu machen. Dazu bestiegen das ganze Team das Schweizer Postauto in Richtung Ofenpass – durch die äusserst engen Dorfdurchfahrten des Münstertales bis nach Tschierv. Kurt lehrte uns Spitzkehren, zeigte uns, was Schneeprofile sind, zeigte uns wie die wir die Steilheit eines Hanges mit den Skistöcken bestimmen können und so viel wichtiges mehr. Es schneite ein wenig, aber nicht wirklich ausgiebig für bessere Tourenverhältnisse. Im Dorf  war alles vorbereitet für eine Schweizer Langlaufmeisterschaft am nächsten Tag.

An diesem Abend nach dem Nachtessen zeigte uns Kurt seinen zusammengeschnittenen Film unserer Abenteuer der letzten Tage. Es machte Spass Kurt zuzuhören, wie er mit seinem trockenen Humor von einigen seiner Bergabenteuer erzählte – dieser Mann ist wirklich ein grosser Alpinist und ein toller Charakter.

Diese Ferien machten mir trotz der wenig guten Schneeverhältnissen Lust auf mehr Abenteuer der gleichen Sorte. Ich denke ich komme wieder. Danke Kurt – danke an alle. Übrigens ein Tip: Beim Abschied verriet mir Herr Steiner, der Hotelier, es sei eine alte Bauernregel im Vinschgau, dass wenn es im Oktober einschneie, gebe es keinen Schnee mehr bis im Februar. Das war offensichtlich in den letzten 2 Jahren so, aber gar nicht typisch für das Vinschgau. Ich solle ihn doch nächstes Jahr Anfang November anrufen zu fragen ob es schon geschneit habe, wenn nein, dann sei es problemlos sich für früh im Jahr anzumelden.

Ein Kommentar

  • Ortler Kurt

    Dankeschön Peter für Deinen Ehrlichen Bericht! Das war eine große Arbeit von Dir! Dankeschön nochmal für Euer Vertrauen und ich würde mich auf weitere gemeinsame Touren freuen!!