Via alta Vallemaggia
Nach ausgiebigen Recherchen und einigen Einlauftouren, starteten Wili Tanner und ich am 18. Juni 2012 das Abenteuer Via alta della Vallemaggia. Natürlich hatte ich recht viel Respekt vor der Tour, denn ich wusste, dass uns bis zu acht Stunden Weg mit einer schweren Packung von mehr als zehn Kilos bevorstanden. Obwohl ich über eine gute Grundkondition verfüge, habe ich seit längerer Zeit keine Touren von 6 Tagen hintereinander ausgeführt. Willi hat über die Tour einen ausführlichen Bericht geschrieben.
Schon die Fahrt mit dem Zug wir nach Locarno war verlängert, weil die Gotthardstrecke im Urnerland wegen Felssturzes gesperrt war. Dass ich dann beim Umsteigen in Bellinzona auch noch die Wanderstöcke im Zug vergass, machte den ersten Tag ein wenig schräg. Stöcke habe ich in Locarno gekauft.
Mit der Luftseilbahn ging es nach Cardada, dann aber auf dem Weg zur Capanna Cimetta zu Fuss. Wir waren die einzigen Gäste in der Hütte. Am Abend bereitete uns der Hüttenwart eine Pizza zu, aber auf unseren Wunsch nach dem Frühstück um halb sieben wollte er gar nicht eingehen. Immerhin het er es uns alles bereit gestellt, dass wir es selber fertig zubereiten konnten. Wir wollten am nächsten Morgen früh weg, weil wir anderthalb Etappen weit bis zur Capanna Masnée kommen wollten. Alle Hütten auf dieser Tour, bis auf die letzte, die Soveltrahütte sind nicht bewartet. Allerdings wussten wir, dass es in den meisten Ess- und Trinkvorräte hat, die wir da kaufen können.
An diesem Abend war unsere Stimmung sehr verhalten, wir kennen uns gut, aber wir waren nie auf einer so langen Tour. An diesem Vorabend gehen einem viele Sachen durch den Kopf, werde ich die Strapazen meistern? Gibt es Schwierigkeiten auf dem Weg? So gingen wir mit einem mulmigen Gefühl ins Bett.
Der erste Tag war für mich gewaltig anstrengend, wenigstens war die Höhe mit bis zu 2’300 müM noch human, aber es war sicher ambitiös, gleich zur Masnée zu trekken. Vor allem über den Madom da Sgiof war auch der Einsatz der Hände häufig gefragt. Oft war der Weg nicht mehr ein kleiner Kuhpfad. Die Route ist sehr gut markiert. Der überwiegende Teil des ersten Tages und überhaupt der ganzen via ist mit weiss-blau-weissen Wandermarkierungen als Alpinroute gekennzeichnet. Immer wieder muss ich die phantastische Kondition von Willi bewundern, der ohne mich sicher viel schneller wäre. Am heutigen Abend gibt es für mich Rösti, Gewichtsfetischist Willi hat dieses Menue noch ausgetauscht, weil sein Nasi Goreng hundert Gramm leichter war. Aber auch der Wein und der Grappa schmecken gut.
Vielleicht etwas zum Wetter, nachdem es gestern ziemlich lange sonnig war, ist es heute eher bewölkt und kalt gegen Abend sogar leicht neblig. Die Capanna Spluga will nicht näher kommen, obwohl unser Blick immer wieder in die Ferne schweift. Als wir sie dann doch noch zu Gesicht bekommen, sind wir echt erleichtert. In der Hütte treffen wir die ersten Leute seit unserem Abmarsch gestern morgen, nämlich zwei Tessiner, dank disen lodert auch bereits ein heimeliges Feuer im Herd. Sie machen die Route im umgekehrten Sinne. Sie haben heute einen Ruhetag eingeschaltet und dank dem sie sehr gut deutsch sprechen, wird die Diskussion leichter. Sie zeigen uns Photoes von Ihrer ersten Etappe über den Redorta, wo sie knietief im Schnee versanken. Ausser dass die Verhältnisse sehr gut wären raten sie dem auszuweichen und abzusteigen und von unten in die Soveltra zu gelangen. Diesen Entscheid treffen wir morgen abend. Die Alpe Spluga besteht aus mindestens 8 Hütten einer ehemaligen Alp, die sehr gut zurecht gemacht wurden, wie auch die andern Hütten der via.
Heute geht es in die Capanna Tomeo, nur sieben Stunden laut Broschüre, die Schwierigkeiten so wie gestern, die Anlage der Route auch ähnlich: Ein steiles Couloir hinunter über Riesenfelder mit grossen Blöcken, was einem regelrechten Krafttraining für die Beine gleicht und dann fängt es auch noch an zu regnen, Gott sei dank hält der Regen nicht lange an. Das alles kennen wir doch inzwischen. Das fiese kommt erst am Ende der Route: Von weit oben unter dem Monte Zucchero sehen wir den Lago die Tomeo und ca 100 Höhenmeter weiter oben die Hütte. Aber der Weg geht ohne Gnade bis ganz hinunter zum See, nur um dann wieder aufzusteigen.
In der Hütte ist eine Bauequipe unter der Leitung von Efrem Foresti, dem Präsidenten, des Vereins via alta Vallemaggia. So werden wir auch zum Nachtessen eingeladen. Es ist gemütlich in dieser Runde, obwohl wir teils mit diversen Sprachen reden.
Heute nehmen wir den Weg in die Capanna Soveltra unter die Füsse, dabei haben wir uns definitiv entschieden nicht über die mehr als 2600 Meter hohe Schulter am Corona die Redorta zu steigen, sondern über den Bassa di Pertüs bis auf 1000 Meter runter nach Monte di Predee abzusteigen, nur um dann wieder in die Soveltra aufzusteigen.
Als erstes haben wir nach einer Stunde Aufstieg zwei junge Girls getroffen, die eben aus einem Zelt stiegen. Sie sagten uns, sie würden lieber im Zelt schlafen als in der Hütte. Aber dafür auch das Zelt noch mitzutragen? Chapeau! Diese Route war vielleicht nicht so alpin, aber die herrliche Landschaft mit Bächen und vielen Blumen haben es lohnend gemacht und sieben Stunden kamen auch so zusammen. Die Soveltra ist dann schon fast ein Hotelbetrieb, so komplett anders als die drei vorhergehenden Hütten. Begrüsst hat uns Fiona, die ursprünglich aus England stammt. Bei einer Hütte zu der man bis auf eine Stunde Fussmarsch mit dem Auto zufahren kann hat es natürlich wieder Leute. Wir können sogar warm duschen und faulenzen nachher am massiven Arventisch hinter der Hütte in der Abendsonne, bis wir zum feinen Znacht gerufen werden.
Heute gehts definitiv wieder zurück in die Zivilisation nach Fusio (immer noch 50km von Locarno), aber dazischen liegt noch ein deftiger Tag mit dem Aufstieg zum höchsten Punkt unserer Tour, dem 2314 Meter hohen Passo Fornale mit Steilabstieg zum Lago di Magnolo oberhalb von Fusio und Steilabstieg nach Fusio, wo die Via alta eigentlich fertig ist. 5 Tage waren bis jetzt unterwegs und weil wir das Pièce de Résistance am Redorta ausliessen, beschliessen wir, noch einen sechsten Tag anzuhängen mit einem Übergang über den ebenfalls 2320 Meter hohen Passo Campolungo zum Lago di Tremorgio in der Leventina. Es ist neblig am Pass und wir merken, dass eine gute Sache zu Ende geht. Mit der Seilbahn fahren wir nach Rodi zu Tal und mit dem Zug kommen wir später am Abend wieder in die Deutschschweiz zurück.